Der Gründer der Gemeinschaft - Vinzenz von Paul
Vinzenz von Paul wurde am 24. April 1581 als drittes von sechs Kindern der Bauernfamilie Jean de Paul und Bertrande de Moras in Pouy, unweit der Pyrenäen und des Ozeans (Südfrankreich) geboren. Die Eltern lebten von einer kleinen Landwirtschaft. Sie waren zu arm, um sich eine Magd zu halten, so musste auch Vinzenz die Schafe und Schweine hüten. Vinzenz war ein aufgeweckter Junge, von dem sein Vater dachte, er könne der Familie nützlicher sein, wenn er Priester werde, um dann die Familie durch eine möglichst reiche Pfründe zu unterstützen.
Entschlossen aus sich etwas zu machen, besuchte er die Lateinschule zu Dax. Zwei Jahre später übersiedelte er nach Toulouse, um Theologie zu studieren. Sein Vater verkaufte ein Paar Ochsen, um das Studium zu bezahlen, denn er war wohl der Ansicht, die Investition werde sich lohnen. Bald darauf starb er.
Vinzenz wurde bereits 1600 zum Priester geweiht. Nun suchte er nach einer angemessenen Pfründe, um ein sorgenfreies Auskommen zu haben. Als er die erstrebte Pfarrei nicht erhielt, studierte er weiter und lebte von den Geldern adeliger Schüler, denen er Unterricht gab. Auf einer Reise nach Marseille geriet Vinzenz in Gefangenschaft und wurde auf dem Sklavenmarkt in Tunis verkauft. Zurück in Frankreich bekommt er die Stelle des Hofkaplans bei Königin Margarete. Hier konnte sich der Bauernsohn in einer grandiosen Gesellschaft bewegen und Kontakte knüpfen, die seiner späteren Arbeit bisweilen nützlich werden sollten. Seine Herkunft und die Bekanntschaft von Menschen, die andere Ziele hatten, als eine gute Pfründe zu nutzen, ließen Vinzenz hier nicht glücklich werden. So kehrte er auf Anraten von Pierre de Bèrulle aufs Land nach Clichy zurück. Nur 600 Einwohner gab es hier, überwiegend Gemüsebauern. Unter ihnen fühlte sich Vinzenz glücklich. Doch er blieb auch nicht bei den Gemüsegärtnern von Clichy. Mit dreiunddreißig Jahren wurde er zum Hauslehrer in die berühmte Familie de Gondi berufen. Er war noch immer unsicher über seinen Weg.
Am 1. August 1617 übernahm Vinzenz wiederum eine Landpfarrei. Kaum angelangt, sah er sich dort vor besonderer Not: "Als ich mich ankleidete, um die heilige Messe zu feiern, erzählte man mir, in einem ganz abgelegenen, etwa eine Viertelstunde entfernten Haus sei alles krank und niemand da, um die anderen zu pflegen und alle seien in unsagbare Not geraten." Vinzenz gelang es, die Hilfsbereitschaft seiner Gemeinde zu wecken. Aber zugleich sah er, dass für den nächsten Notfall nichts davon übrig bleiben werde, weil es nicht reicht Almosen zu geben, wenn die Hilfe unorganisiert bleibt und keine Dauer und Zuverlässigkeit gewinnt. Vinzenz kehrte zu de Gondis zurück.
Als er die materielle und geistige Not seiner Zeit (Kranke, Behinderte, Findelkinder, Galeerensträflinge) sah, weihte er sein Leben dem Dienst und der Evangelisation der Armen. Er gründete 1617 die Bruderschaften der christlichen Liebe ("Dames de la Charité"), die in organisierter Form geistliche und leibliche Nächstenliebe übten.
Den armen Leuten auf dem Land das Evangelium zu predigen wird ihm ein immer größeres Anliegen und 1625 gründete er für diesen Zweck die "Kongregation der Mission" (Lazaristen).
Vinzenz begegnete Luise von Marillac, einer Witwe adeliger Abstammung (geboren 1591), und wurde ihr Seelenführer. Dabei erkannte er ihre Fähigkeiten und bat sie, die Bruderschaften zu besuchen und zu überwachen. Es begann eine sehr fruchtbare Zusammenarbeit zwischen Vinzenz und Luise, da sie sich in ihren Fähigkeiten ergänzten.
1633 gründeten sie gemeinsam die "Töchter der christlichen Liebe" (Filles de la Charité"), bei uns unter dem Namen "Barmherzige Schwestern vom hl. Vinzenz von Paul" bekannt. Vinzenz und Luise waren zutiefst davon überzeugt nur Werkzeuge in den Händen Gottes zu sein, der sich auf überraschende und unvorhergesehene Weise ihrer bediente, um diese Gemeinschaft zu gründen. Die gewählte Form des schwesterlichen Gemeinschaftslebens war etwas ganz Neues in der Kirche, da es bisher nur klausurierte geistliche Frauengemeinschaften gab. Die Barmherzigen Schwestern jedoch verpflichteten sich durch ein Gelübde für den Armendienst und besuchten Arme und Kranke in ihren Wohnungen, arbeiteten in Spitälern, Gefängnissen,... Ihre Klöster waren die Häuser der Armen und die Straßen der Stadt. Die ersten Schwestern waren ausnahmslos Mädchen aus Bauernfamilien, die von Kindheit an harte Arbeit kannten. Vinzenz sagt: " Ich kenne die Dorfmädchen aus Erfahrung, da ich der Sohn eines armen Bauern bin und bis zum Alter von 15 Jahren auf dem Land lebte....Auch die Mädchen in der Stadt, die bei uns mitmachen wollen, müssen es lernen, so zu leben."
Der Wahlspruch "Caritas Christi urget nos", "die Liebe Jesu Christi, des Gekreuzigten, erfüllt und entflammt das Herz einer Tochter der christlichen Liebe, um aller Not zu Hilfe zu eilen", wurde bereits durch die Stifter im Siegel der Genossenschaft zum Ausdruck gebracht.
Im Juli 1660 erkrankte Vinzenz im Alter von 79 Jahren. Herz und Geist waren noch frisch, doch Beine und Magen wollten nicht mehr. Am 26. September saß er angezogen in seinem Stuhl am Feuer; er segnete alle Mitbrüder, die Schwestern, die Findelkinder, die Armen. In der Frühe, am 27. September 1660, kurz nach vier Uhr, starb er.